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Antiziganismus an Schulen in Deutschland Aktuelle Befunde und Handlungsbedarf

„Antiziganismus an Schulen – gemeinsam handeln“

Gestern kamen im Herzen von Darmstadt Expertinnen, Lehrkräfte und Bildungs­akteurinnen zusammen, um der Frage nachzugehen: Wie begegnen wir Antiziganismus im Schulalltag?


Nicole Alice Deeg (PINOT) im Gespräch mit der Hessische Landtags Vizepräsidentin, Frau Martina Feldmeyer


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In Workshops, Impulsvorträgen und offenen Diskussionen wurde deutlich: Antiziganismus ist nicht nur ein Thema der Vergangenheit – er wirkt auch heute noch mit allen Facetten in Schule und Gesellschaft.


Der Austausch zeigte: Es braucht eine Schule-die stärkt, eine Gemeinschaft – die Verantwortung übernimmt, sowie Lehr- und Lernräume, in denen Respekt und Vielfalt gelebt werden.


Herzliche Grüße an die Veranstalter vom landesverband der Sinti und Roma Hessen/MIA Hessen für das gemeinsame Engagement!


Gemeinsam entwickeln wir Perspektiven, um junge Menschen in der Vielfalt unserer Gesellschaft zu begleiten – damit jede*r sich gesehen fühlt und wir gemeinsam für ein respektvolles Miteinander einstehen.


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Antiziganismus, die spezifische Form der Feindschaft gegen Sinti, Roma und Jenische ist auch an deutschen Schulen ein weit verbreitetes, tief verwurzeltes Problem.


Es reicht von offenen rassistischen Beleidigungen über die Reproduktion uralter Stereotype bis hin zu struktureller Diskriminierung, die den Bildungserfolg und die soziale Teilhabe betroffener Schülerinnen und Schüler massiv beeinträchtigt.


Die Herausforderung besteht darin, Antiziganismus nicht nur als individuelle Fehlhaltung, sondern als historisch gewachsene, in Schulbüchern und gesellschaftlichen Narrativen verankerte Struktur zu erkennen und gezielte pädagogische sowie curriculare Gegenmaßnahmen zu ergreifen.


Erscheinungsformen und Betroffenheit im Schulumfeld


Antiziganismus manifestiert sich an Schulen in subtilen und offenen Formen:

  • Stereotype und Sprache: Schülerinnen und Schüler mit Familienhintergrund Sinti und Roma werden oft mit negativen Klischees konfrontiert (z.B. Diebstahl, Armut, fehlende Bildungswilligkeit). Diese Stereotype sind tief in der Alltagssprache und Jugendkultur verankert.


  • Ausschluss und Diskriminierung: Betroffene berichten von sozialer Isolation, Vorurteilen durch Mitschüler und teils auch durch Lehrkräfte. Dies kann sich in ungleichen Bildungschancen, ungerechtfertigten Noten oder der pauschalen Delegierung in Förderschulen äußern.


  • Struktureller Antiziganismus: Schulmaterialien und Lehrpläne ignorieren oder verfälschen oft die Geschichte und Kultur von Sinti und Roma. Die Thematisierung beschränkt sich meist auf die Verfolgungsgeschichte während der Shoah, während das positive jüdische Leben ("Annahme von Nichtpräsenz") im Kontrast zur Darstellung von Sinti und Roma, oft fehlt.


  • Folgen für Betroffene: Die alltäglichen Vorurteile führen zu einer erhöhten psychischen Belastung, einem Gefühl der Ausgrenzung und einer geringeren Identifikation mit der Schule als sicherem Lernort.


Historischer Hintergrund und Wissenslücken

Antiziganismus hat eine lange, tödliche Tradition, die in der Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten (Porajmos/Holocaust) gipfelte. Dennoch existieren hierzu massive Wissenslücken:

  • Fehlende Anerkennung: Die Geschichte der Sinti und Roma wird im Unterricht oft nur am Rande behandelt, was ihre Opferrolle relativiert und die heutige Diskriminierung nicht verständlich macht.

  • Unwissen bei Lehrkräften: Viele Lehrkräfte sind unsicher im Umgang mit dem Thema, erkennen antiziganistische Äußerungen nicht oder fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet, um historisch korrekte und sensible Aufklärung zu leisten.


Handlungsoptionen und Empfehlungen zum Vorurteilsabbau

Um Antiziganismus an Schulen wirksam zu begegnen und Vorurteile abzubauen, sind Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen erforderlich:

  1. Curriculare und Pädagogische Maßnahmen:

    • Inklusive Lehrplangestaltung: Die Geschichte, Kultur und heutige Lebensrealität von Sinti und Roma müssen systematisch und wertschätzend in Lehrplänen und Schulbüchern verankert werden – nicht nur im Geschichtsunterricht, sondern auch in Fächern wie Politik und Ethik.


    • Thematisierung von Vielfalt: Nutzung von Projekttagen und Workshops, die den positiven Beitrag von Sinti und Roma zur europäischen Kultur hervorheben und den Dialog fördern.


    • Austausch und Begegnung: Gezielte Kooperationen mit Bürgerrechtsorganisationen der Sinti und Roma (z.B. Landesverbände, Dokumentationszentren) sowie die Einladung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.


    Strukturelle Sensibilisierung und Fortbildung:

    • Verpflichtende Lehrerfortbildung: Systematische und verpflichtende Schulungen für Lehrkräfte zu Antiziganismus, seinen historischen Wurzeln und modernen Erscheinungsformen.

    • Haltung und Parteilichkeit: Pädagogische Fachkräfte müssen lernen, antiziganistische Vorfälle als solche zu erkennen und klar parteilich für die Betroffenen einzutreten und diese zu schützen.

    • Schulinterne Meldepflichten: Klare Verfahren zur Meldung, Dokumentation und Nachverfolgung antiziganistischer Vorfälle.


    Anerkennung und Schutz der Betroffenen:

    • Schulen müssen einen sicheren Raum schaffen, in dem sich Schülerinnen und Schüler mit Sinti- und Roma-Hintergrund wohlfühlen und ihre Identität frei leben können.


    • Die Kommunikation mit den Familien muss auf Augenhöhe stattfinden, um Misstrauen abzubauen und die Eltern aktiv in den Bildungsprozess einzubinden.


    • Die Perspektive der Betroffenen muss stets wahrgenommen und ernst genommen werden, ohne sie zu "Vertreterinnen" ihrer gesamten Gemeinschaft zu machen.



Für anfragen zu Workshops, Dialogveranstaltungen, Beratungstermine zu diesem Thema wenden Sie sich bitte an:



PINOT - Jüdische Bildungsbausteine gUG 

(Haftungsbeschränkt)


PINOT - Bundeszentrale 

Steinheimer Straße 47

63450 Hanau



Niko Deeg

Geschäftsführung


Mobil: +49 171 7438882


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Nicole Alice Deeg

Verwaltungsleitung







 
 
 

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